Bei Stress bringt das Hormon Cortisol den Stoffwechsel durcheinander und sorgt für Heißhunger und erhöhten Blutzucker. Wer abnehmen möchte, sollte also auch sein Stresslevel reduzieren. Eine Möglichkeit: mehr Bewegung.
Was Sie zum Abnehmen benötigen? Eine gesunde Ernährung, mehr Bewegung – und weniger Stress! Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahren mit der Frage, ob zu viel Stress Übergewicht fördert. Das Thema ist komplex und die Studien liefern teilweise widersprüchliche Ergebnisse. Die Forschung weist allerdings auf einen kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Zusammenhang zwischen chronischem Stress, dem Stresshormon Cortisol und Übergewicht hin [1].
Stress, Cortisol und der Stoffwechsel
Die Körper unserer Vorfahren sollten sich nicht mit der Verdauung herumschlagen, während sie gerade auf der Jagd waren oder vor einem Säbelzahntiger davonrannten. Unter Stress wurde die Energie für das Kämpfen oder Flüchten benötigt. Physischen Gefahren wie einen Raubtierangriff oder eine Naturkatastrophe können wir dank der Stressreaktion unseres Körpers besser überstehen – unter anderem läuft dann die Verdauung auf Sparflamme, während der Blutdruck und die Leistung der Muskeln steigen.
Stress und Depressionen hängen oft mit Schlafstörungen zusammen, was das Abnehmen weiter erschwert. In einer Studie bauten übergewichtigen Probanden, die zu wenig Schlaf bekamen, beim Abnehmen mehr Muskelmasse als Fett ab [3].
Heute sind wir eher mentalem Stress ausgesetzt, der nicht selten aus unrealistischen Erwartungen an uns selbst entspringt und uns über lange Zeit begleitet. Wenn wir dann nicht sprinten oder kämpfen, sondern mit rotem Kopf am Schreibtisch sitzen, verpufft die überschüssige Energie, die der Körper freigibt, nicht einfach – sie kann dafür sorgen, dass wir zunehmen [2].
Wie beeinflusst Cortisol den Stoffwechsel?
Das Stresshormon Cortisol ist unter anderem am Stoffwechsel und an der Regulierung unseres Blutzuckers beteiligt. Ist der Cortisolspiegel wegen einer Stresssituation erhöht, werden verstärkt Proteine aus den Muskeln gezogen und in der Leber in Glukose, also Zucker, umgewandelt. Der HbA1c-Wert steigt, um dem Körper Energie zur Verfügung zu stellen [4].
Wissenschaftler nehmen zudem an, dass ein erhöhter Cortisolspiegel die Fettzellen verändert und die Entstehung von Adipozyten, voll entwickelten Fettzellen, begünstigt. Adipozyten speichern Fett. Gibt es mehr von ihnen, kann das zu einer Gewichtszunahme führen [1, 5].
Dazu kommt, dass unser Gehirn mehr energiereiche Nahrung verlangt, wenn wir ständig im Stress sind, was wir als einen Heißhunger auf Süßes und Fettiges wahrnehmen. Studien zeigen etwa, dass Frauen unter Stress mehr Appetit haben und eher zu Süßigkeiten und Fast Food greifen [6, 7].
Ein Teufelskreis: Wie britische Forscher untersuchten, entwickeln übergewichtige Menschen Stress und chronisch erhöhte Cortisolwerte, wenn sie wegen ihres Übergewichts diskriminiert werden. Der erhöhte Cortisolspiegel begünstigt wiederum eine weitere Gewichtszunahme [8].
Wann ist mein Cortisolwert zu hoch?
Ein dauerhaft erhöhter Cortisol-Spiegel geht nicht immer mit eindeutigen Symptomen einher. Stress-Symptome können etwa Rückenschmerzen sein, Schlafprobleme und Verdauungsbeschwerden sowie ein verminderter Sexualtrieb und depressive Verstimmung. Mögliche langfristige Folgen sind vielfältig, zu ihnen gehören eine beeinträchtigte Wundheilung, ein gesteigertes Risiko von Krankheiten wie Osteoporose, Depressionen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus [9].
Fühlen Sie sich ständig gestresst, ist das ein Anzeichen dafür, dass ihr Cortisolspiegel erhöht sein könnte. Sie können dann mit einem Test messen, ob Ihre Werte sich im grünen Bereich bewegen. Das Hormon kann im Speichel gemessen werden. Da der Cortisolspiegel über den Tagesverlauf stark schwankt, sind mehrere Messungen zu verschiedenen Uhrzeiten sinnvoll. Mit Selbsttests können Sie von Zuhause Ihren Hormonspiegel messen.
Cortisol senken – mit Sport und Entspannung
Sport hilft nicht nur, Fett abzubauen und Muskeln aufzubauen. Strengen wir uns an, verfällt unser Körper anschließend in den Entspannungsmodus, was den Cortisolspiegel ins Gleichgewicht bringen kann. Physische Aktivität wirkt sich positiv auf die körperliche und psychische Gesundheit aus und kann unter anderem Stressresistenz, Schlafqualität und Stimmung verbessern [10, 11].
Einige Menschen erleben beim Sport auch ein „Runner’s High“, einen rauschähnlichen Hochzustand. Forscher sind sich noch nicht sicher, wodurch dieses „Läufer-Hoch“ entsteht. Eine aktuelle Theorie besagt, dass wir beim Sport Endocannabinoide ausschütten, körpereigene Stoffe, die dem Cannabis im Marihuana ähneln [12].
Tipps für Stressabbau durch Sport
Es ist relativ egal ob Sie joggen, walken, tanzen, ins Fitnessstudio gehen, Tennis oder Fußball spielen – entscheidend ist, dass Sie sich regelmäßig bewegen, am besten mehrmals die Woche.
Diese Tipps können Ihnen helfen, Ihr Stresslevel durch Bewegung zu reduzieren [13]:
- Fangen Sie langsam an und überfordern Sie sich nicht! Auch längere Spaziergänge und kurze Trainingseinheiten tun dem Körper und der Psyche gut.
- Bauen Sie Bewegung in Ihren Alltag ein, zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit. Steigen Sie Treppen, nehmen Sie das Fahrrad, gehen Sie auch mal längere Strecken zu Fuß.
- Sport in der Gruppe kann motivierend sein. Bei vielen Menschen wirkt auch die Geselligkeit eines Sportkurses, eines Mannschaftssports oder einer Trainingsgruppe dem Stress entgegen.
- Der Sport soll keine Qual sein. Suchen Sie sich etwas, dass Ihnen Spaß macht.
- Wenn Sie Gesundheitsprobleme haben und seit längerer Zeit keinen Sport getrieben haben, beraten Sie sich zuerst mit Ihrem Arzt oder Therapeuten.
Morgens und abends sind die Cortisolwerte höher als etwa am Nachmittag. Trainieren Sie zu diesen Zeiten, kann es sich lohnen, ihr Stresslevel nach dem Sport aktiv zu senken. Das funktioniert zum Beispiel mit Atemübungen wie der Bauchatmung, bei der Sie ganz bewusst und tief in das Zwerchfell im Bauch ein- und ausatmen [14].
Bitte keinen Stress beim Sport
Lassen Sie Ihr Sportprogramm nicht in Stress und Leistungsdruck ausarten – sonst steigt Ihr Cortisolspiegel nur weiter. Behalten Sie immer im Kopf, dass Sie sich vor allem für sich und Ihre Gesundheit bewegen.
Einige Sportarten machen Ihnen das besonders leicht, da sie gezielt Bewegung und Entspannung verbinden, zum Beispiel Yoga, Tai Chi und Quigong. Natürlich sind auch Entspannungstechniken wie Autogenes Training, progressive Muskelentspannung und Meditation sinnvoll, um Dauerstress zu reduzieren.
Stress und Gewicht – komplexes Zusammenspiel
Stressabbau alleine ist allerdings noch kein Geheimrezept für das Idealgewicht. Viele Faktoren bestimmen mit, ob wir Pfunde verlieren oder zulegen, natürlich auch Ernährung und Bewegung. Wissenschaftler weisen auch auf Lücken in der Forschung hin – im Moment wird noch untersucht, wie genau Stress und ein erhöhter Cortisolspiegel auf Übergewicht einwirken.
Denn der Zusammenhang zwischen Cortisol und Gewicht ist komplex. So zeigten Untersuchungen, dass Stress bei manchen Menschen die Lipolyse, also die Spaltung bestimmter Fette, fördert, und so sogar zum Gewichtsverlust beitragen kann. In anderen Studien hatten Menschen mit einem BMI von 26, also leichtem Übergewicht, den „gesündesten“ Verlauf des Cortisolspiegels über den Tag [5].
Weniger Cortisol sorgt also nicht automatisch für weniger Gewicht. Haben Sie aber Probleme mit Stress und Übergewicht, ist das Ziel klar: Werden Sie aktiv und bauen Sie Stress ab!
Quellen
[1] S. T. Nyberg und et al., „Job strain in relation to body mass index: pooled analysis of 160 000 adults from 13 cohort studies“, J. Intern. Med., Bd. 272, Nr. 1, S. 65–73, Juli 2012, doi: 10.1111/j.1365-2796.2011.02482.x.
[2] R. M. Nesse, S. Bhatnagar, und B. Ellis, „Chapter 11 - Evolutionary Origins and Functions of the Stress Response System“, in Stress: Concepts, Cognition, Emotion, and Behavior, G. Fink, Hrsg. San Diego: Academic Press, 2016, S. 95–101.
[3] „Lack Of Sleep Can Make Dieters Lose Muscle Instead Of Fat“, Medical News Today. https://www.medicalnewstoday.com/articles/203436.php (zugegriffen Nov. 19, 2018).
[4] A. Siddiqui, S. V. Madhu, S. B. Sharma, und N. G. Desai, „Endocrine stress responses and risk of type 2 diabetes mellitus“, Stress Amst. Neth., S. 1–9, Aug. 2015.
[5] A. C. Incollingo Rodriguez, E. S. Epel, M. L. White, E. C. Standen, J. R. Seckl, und A. J. Tomiyama, „Hypothalamic-pituitary-adrenal axis dysregulation and cortisol activity in obesity: A systematic review“, Psychoneuroendocrinology, Bd. 62, S. 301–318, Dez. 2015, doi: 10.1016/j.psyneuen.2015.08.014.
[6] J. Kandiah, M. Yake, J. Jones, und M. Meyer, „Stress influences appetite and comfort food preferences in college women“, Nutr. Res., Bd. 26, Nr. 3, S. 118–123, März 2006, doi: 10.1016/j.nutres.2005.11.010.
[7] E. Epel, R. Lapidus, B. McEwen, und K. Brownell, „Stress may add bite to appetite in women: a laboratory study of stress-induced cortisol and eating behavior“, Psychoneuroendocrinology, Bd. 26, Nr. 1, S. 37–49, Jan. 2001, doi: 10.1016/S0306-4530(00)00035-4.
[8] S. E. Jackson, C. Kirschbaum, und A. Steptoe, „Perceived weight discrimination and chronic biochemical stress: A population-based study using cortisol in scalp hair“, Obes. Silver Spring Md, Bd. 24, Nr. 12, S. 2515–2521, Dez. 2016, doi: 10.1002/oby.21657.
[9] Heinricht et al., Biochemie und Pathobiochemie. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2014.
[10] J. Ohrnberger, E. Fichera, und M. Sutton, „The relationship between physical and mental health: A mediation analysis“, Soc. Sci. Med., Bd. 195, S. 42–49, Dez. 2017, doi: 10.1016/j.socscimed.2017.11.008.
[11] S. Biddle, „Physical activity and mental health: evidence is growing“, World Psychiatry, Bd. 15, Nr. 2, S. 176–177, Juni 2016, doi: 10.1002/wps.20331.
[12] J. Fuss u. a., „A runner’s high depends on cannabinoid receptors in mice“, Proc. Natl. Acad. Sci., Bd. 112, Nr. 42, S. 13105–13108, Okt. 2015, doi: 10.1073/pnas.1514996112.
[13] Mayo Clinic, „Exercise and stress: Get moving to manage stress“, Mayo Clinic. http://www.mayoclinic.org/healthy-lifestyle/stress-management/in-depth/exercise-and-stress/art-20044469 (zugegriffen Nov. 21, 2018).
[14] X. Ma u. a., „The Effect of Diaphragmatic Breathing on Attention, Negative Affect and Stress in Healthy Adults“, Front. Psychol., Bd. 8, Juni 2017, doi: 10.3389/fpsyg.2017.00874.