In stressigen Phasen hält Cortisol uns auf Trab: Wir sind wach und aufmerksam. Übermannt uns aber der Stress über einen längeren Zeitraum, steigt der Cortisol-Spiegel und es drohen gesundheitliche Probleme.
Erfahren Sie in diesem Artikel, welche Aufgaben Cortisol im Körper hat, was bei zu viel Cortisol passiert und wie Sie einen zu hohen Spiegel des Stresshormons senken können.
Cortisol im Überblick
- Cortisol ist ein Stresshormon, das dem Körper in Stresssituationen Energie bereitstellt, den Blutdruck sowie den Blutzucker erhöht. Morgens ist der Cortisol-Spiegel am höchsten: Das Hormon weckt uns und bereitet uns auf den Tag vor.
- Dauerstress kann zu ständig erhöhten Cortisol-Werten führen. Auch Erkrankungen wie Morbus Cushing sowie Depressionen oder veränderte Lebensumstände wie eine Schwangerschaft können den Cortisolspiegel erhöhen.
- Entspannungstechniken und Sport können einen erhöhten Cortisolspiegel wieder senken. Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Hülsenfrüchten und Kaltwasserfischen ist, kann ebenfalls helfen, die Cortisol-Werte zu senken.
Was ist Cortisol?
Die Nebennierenrinde bildet aus Cholesterin das sogenannte Glukokortikoid Cortisol. Cortisol ist auch als Stresshormon bekannt: Sobald Sie Stress verspüren, setzt der Körper es frei. Das Hormon übt Einfluss auf folgende Vorgänge aus [1]:
- Es erhöht den Blutzuckerspiegel und setzt später Insulin ein, um ihn wieder zu senken
- Es hemmt Entzündungen und das Immunsystem
- Es hält den Blutdruck aufrecht
- Es stellt Energie bereit
Gut zu wissen: Die Nebennieren liegen wie Kappen auf den Nieren. Sie wiegen knapp fünf Gramm und sind für die Produktion von Hormonen zuständig. Sie setzen sich zusammen aus der Nebennierenrinde und dem Nebennierenmark [2].
Cortisol und der Blutzuckerspiegel
Während wir schlafen, geht Cortisol einer überlebensnotwendigen Aufgabe nach: Das Stresshormon regt die Leber an, Glukose freizusetzen, den Treibstoff aller Zellen. So versorgt die Leber den Körper nachts mit Energie, sodass er wichtigen Stoffwechsel- und Reparaturprozessen nachgehen kann [2].
Cortisol und das Immunsystem
Cortisol kann die Aktivität des Immunsystems drosseln: In Stresssituationen soll möglichst viel Energie für das schnelle Reagieren und die Muskelkraft zur Verfügung stehen. Die Abwehrkräfte laufen dann auf Sparflamme: Das Immunsystem bildet weniger Abwehrzellen, die Fremdkörper im Organismus ausschalten. Daher sind wir anfälliger für Infekte wie Grippe und Erkältung wenn wir uns zunehmend gestresst fühlen [2].
Was ist der Unterschied zwischen Cortisol und Cortison? Cortison ist die Vorstufe von Cortisol im Körper. Künstlich hergestelltes Cortison (Hydrocortison) finden Sie in Salben, Tabletten, Nasensprays oder Spritzen. Ihr Körper wandelt das Cortison in Cortisol um, das daraufhin Entzündungsvorgänge unterdrückt. Medikamente mit Cortison werden bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen und entzündlichen Hauterkrankungen wie Neurodermitis eingesetzt [3].
Cortisol und Stress
Eine aktuelle Forsa-Umfrage aus Deutschland zeigt: Knapp zwei von drei Menschen fühlen sich mindestens manchmal gestresst – jede*r Vierte sogar häufig. Stress steht im engen Zusammenhang mit Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen, Erschöpfung, Schlafproblemen sowie Magenbeschwerden. Langfristig kann es auch andere Krankheiten wie eine Depression begünstigen [4].
Was bedeutet Stress?
Stress ist eine Reaktion des Menschen auf eine belastende Situation. Dazu zählen beispielsweise Gefahrensituationen, Druck im Job, körperliche und seelische Leiden, einschneidende Lebensereignisse und Umwelteinflüsse. Die Reaktion auf Stress ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich: Die Intensität hängt von persönlichen Motiven und Einstellungen ab.
Geraten wir in eine stressige Situation, schüttet der Körper neben Cortisol weitere Hormone wie Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin aus, die sogenannten Katecholamine. Unser Herz schlägt schneller, die Muskeln werden mit Energie versorgt, Verdauung und Abwehrkräfte werden unterdrückt.
Unsere Vorfahren haben diesen Mechanismus vor langer Zeit entwickelt, als sie noch ganz anderen Stresssituationen ausgesetzt waren als wir es heute sind. Wenn sie Tiere jagten – oder von ihnen gejagt wurden – standen sie vor der Entscheidung „Fight or Flight“: kämpfen oder flüchten. Cortisol schärfte dabei ihre Sinne und machte sie bereit, schnell zu reagieren und ihre ganze Kraft einzusetzen. Das sicherte das Überleben. Heute sind wir Stress allerdings oft über einen längeren Zeitraum ausgesetzt und können ihn nicht einfach bekämpfen oder ihm entfliehen. Das kann auf Dauer auf die Gesundheit schlagen [5].
Cortisol-Spiegel
Die Konzentration von Cortisol schwankt je nach Tageszeit deutlich. Das ist typisch für Hormone. Der Cortisol-Spiegel erreicht seinen Höhepunkt morgens zwischen sechs und neun Uhr. Das Hormon lässt uns wach werden und bereitet uns auf stressige Situationen vor. Im Laufe des Tages sinkt der Cortisol-Spiegel und erreicht gegen Mitternacht seinen Tiefpunkt [2].
Die natürlichen Schwankungen von Hormonen können aus dem Gleichgewicht geraten. So kann es unter bestimmten Umständen dazu kommen, dass Ihr Cortisol-Spiegel zu niedrig oder zu hoch ausfällt.
Wie kommt es zu einem erhöhten Cortisol-Spiegel?
Ein erhöhter Cortisol-Spiegel am Morgen ist in der Regel normal, solange er sich in einem gewissen Rahmen bewegt. Sollten hohe Mengen Cortisol über den ganzen Tag verteilt auftreten, kommen folgende Ursachen infrage [2], [6] , [7]:
- akuter und chronischer Stress, Depressionen
- Schwangerschaft
- Anti-Baby-Pille, Medikamente mit Glukokortikoiden
- Übergewicht, Magersucht, Alkoholismus
- Infektionen, Verbrennungen
- Die Krankheit Morbus Cushing
Was ist Morbus Cushing? Menschen mit Morbus Cushing haben einen Tumor in der Hirnanhangdrüse. Der Tumor sorgt dafür, dass der Körper zu viel von dem adrenocorticotropen Hormon (ACTH) bildet. ACTH regt wiederum die Nebennierenrinde zur Cortisol-Produktion an. Der erhöhte Cortisol-Spiegel kann zu zahlreichen Krankheitsbeschwerden führen [8].
Wie äußern sich erhöhte Cortisol-Werte?
Ein hoher Cortisol-Spiegel beeinträchtigt die Wundheilung und den Einbau von Nährstoffen in die Knochen. Dadurch steigt das Risiko einer Osteoporose (Knochenschwund) und damit von Knochenschmerzen und Brüchen. Mehrere Studien haben auch einen Zusammenhang zwischen erhöhten Cortisol-Werten und Depressionen feststellen können. Vermehrte Cortisol-Ausschüttung führt außerdem zu weniger Fettverbrennung, wodurch Betroffene leichter zunehmen. Zudem können Hautveränderungen, Bluthochdruck und hohe Blutzuckerwerte auftreten [9].
Bei Frauen kann sich ein erhöhter Cortisol-Spiegel zusätzlich durch vermehrte Körperbehaarung, Zyklusunregelmäßigkeiten und Libidoverlust bemerkbar machen [8].
Wie entsteht Cortisol-Mangel?
Ein Mangel an freiem Cortisol im Körper hat meistens körperliche Ursachen. Bei einer Nierenrindeninsuffizienz, also einer Unterfunktion der Nierenrinde, ist der Cortisol-Spiegel sehr niedrig. Dieser Zustand nennt sich Morbus Addison – eine Erkrankung, die mit cortisolhaltigen Medikamenten behandelt wird.
Neben den organischen Ursachen kann auch ein Burnout einen Cortisol-Mangel begünstigen [10].
Was sind die Symptome eines Cortisol-Mangels?
Bei einem Cortisol-Mangel können folgende Symptome auftreten [11]:
- Gewichtsverlust, Haarausfall, Muskelschwäche
- Schwindel, Müdigkeit, Schwächegefühl
- Appetitlosigkeit, Erbrechen, Übelkeit
- Depressionen, Reizbarkeit
- Niedriger Blutdruck
Cortisol-Spiegel senken
Um überschüssiges Cortisol abzubauen, müssen Sie zunächst ausschließen, ob eine bestimmte Krankheit die Ursache ist. Erkrankungen wie Morbus Cushing werden von Ärzt*innen behandelt. Ist chronischer Stress der Grund für einen hohen Cortisolspiegel, können die richtige Ernährung und Entspannungstechniken Ihnen helfen [2], [6], [7].
Wie lässt sich der Cortisol-Spiegel ohne Medikamente senken?
Um erhöhten Cortisol-Werten im Alltag entgegenzuwirken, können Sie folgenden Tipps nachgehen [12]:
- Geben Sie Ihrem Körper die Chance auf Regeneration. Ausreichender und guter Schlaf hilft, den Stress abzubauen.
- Treiben Sie Sport! Sport hilft beim Stressabbau und kann den Cortisol-Spiegel wieder in einen normalen Bereich bringen.
- Gönnen Sie sich Zeiten der Entspannung. Legen Sie sich hin und hören Musik oder lesen ein gutes Buch. Auch Spaziergänge in der Natur senken den Cortisol-Spiegel.
- Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit für Zweisamkeit und soziale Kontakte! So aktivieren Sie Ihr Kuschelhormon Oxytocin. Dies wird durch körperliche Berührung und soziale Unterstützung ausgeschüttet und lässt den Cortisol-Spiegel sinken.
Sie finden in unserem Gesundheitsportal 10 Tipps, mit denen Sie Ihr Cortisol senken und den Stress im Alltag reduzieren können. Außerdem: wie Entspannungstechniken helfen können und Sie wieder besser schlafen!
Wie lässt sich der Cortisol-Spiegel mithilfe der Ernährung senken?
Auch durch die Ernährung können Sie dazu beitragen, dass ein erhöhter Cortisol-Spiegel wieder in den grünen Bereich sinkt. Studien legen folgende Verbindungen zwischen Nährstoffen und Cortisol nahe [13]–[17]:
- B-Vitamine und Zink in Lebensmitteln wie Hülsenfrüchte und Nüsse machen unseren Körper stressrobuster.
- Reduzieren Sie Ihren Kaffeekonsum. Kaffee kann den Cortisol-Spiegel erhöhen.
- Schwarzer Tee und dunkle Schokolade enthalten Antioxidantien, die den Cortisol-Spiegel senken können.
- Omega-3-Fettsäuren aus Kaltwasserfischen wie Hering, Makrele und Lachs sowie aus Pflanzenölen wie Raps-, Walnuss- und Leinöl hemmen die Ausschüttung von Cortisol.
Cortisol selbst testen
Ein bis drei Prozent des Cortisols sind nicht an Proteine gebunden. Nur dieses freie Cortisol ist aktiv und wirkt im Körper. Das aktive Cortisol kann mit Cortisol Tests im Speichel gemessen werden. Dabei ist es sinnvoll, mehrere Werte über den Tag verteilt zu messen. Denn der Cortisolspiegel schwankt stark im Tagesverlauf und erhöhte oder erniedrigte Werte können zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedliche Schlussfolgerungen zulassen.
Ein Problem bei der Messung: Oft empfinden Menschen Testsituationen als stressig, was die Cortisol-Werte verfälschen kann. Stressarme Speicheltests für zuhause gelten deswegen als gut geeignet, um Cortisol zu bestimmen [18], [19].
Quellen
[1] M. Schwab, Encyclopedia of Cancer. Springer Science & Business Media, 2011.
[2] Faller, Adolf; Schünke, Michael, Der Körper des Menschen - Einführung in Bau und Funktion, 17. Aufl. Thieme, 2016.
[3] Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, „Therapie mit Glukokortikoiden“. https://www.endokrinologie.net/krankheiten-glukokortikoide.php (zugegriffen 17. Januar 2020).
[4] Techniker Krankenkasse, „TK-Stressstudie 2021 ‚Entspann dich, Deutschland!‘“, 1. Dezember 2021. https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-stressstudie-2021-2116458 (zugegriffen 11. April 2023).
[5] „Wie sich Stress auf Körper und Psyche auswirkt“, 31. Januar 2022. https://gesund.bund.de/stress (zugegriffen 11. April 2023).
[6] Kleine, B. und Rossmanith, W., Hormone und Hormonsystem. Springer Spektrum Verlag.
[7] Heinrich et al. (2014)., Biochemie und Pathobiochemie, 9. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.
[8] „Pschyrembel Online | Morbus Cushing“. https://www.pschyrembel.de/Morbus%20Cushing/K05EF/doc/ (zugegriffen 5. März 2018).
[9] Heinrich et al. (2014)., Biochemie und Pathobiochemie, 9. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.
[10] „Pschyrembel Online | Addison-Krankheit“. https://www.pschyrembel.de/Addison-Krankheit/K01MR/doc/ (zugegriffen 5. März 2018).
[11] „Addison’s disease - Symptoms and causes“, Mayo Clinic. http://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/addisons-disease/symptoms-causes/syc-20350293 (zugegriffen 5. März 2018).
[12] M. Heinrichs, T. Baumgartner, C. Kirschbaum, und U. Ehlert, „Social support and oxytocin interact to suppress cortisol and subjective responses to psychosocial stress“, Biol. Psychiatry, Bd. 54, Nr. 12, S. 1389–1398, Dez. 2003.
[13] D. A. Camfield u. a., „The Effects of Multivitamin Supplementation on Diurnal Cortisol Secretion and Perceived Stress“, Nutrients, Bd. 5, Nr. 11, S. 4429–4450, Nov. 2013, doi: 10.3390/nu5114429.
[14] W. R. Lovallo, N. H. Farag, A. S. Vincent, T. L. Thomas, und M. F. Wilson, „Cortisol responses to mental stress, exercise, and meals following caffeine intake in men and women“, Pharmacol. Biochem. Behav., Bd. 83, Nr. 3, S. 441–447, März 2006, doi: 10.1016/j.pbb.2006.03.005.
[15] A. Steptoe u. a., „The effects of tea on psychophysiological stress responsivity and post-stress recovery: a randomised double-blind trial“, Psychopharmacology (Berl.), Bd. 190, Nr. 1, S. 81–89, Jan. 2007, doi: 10.1007/s00213-006-0573-2.
[16] F.-P. J. Martin u. a., „Metabolic effects of dark chocolate consumption on energy, gut microbiota, and stress-related metabolism in free-living subjects“, J. Proteome Res., Bd. 8, Nr. 12, S. 5568–5579, Dez. 2009, doi: 10.1021/pr900607v.
[17] P. Barbadoro u. a., „Fish oil supplementation reduces cortisol basal levels and perceived stress: a randomized, placebo-controlled trial in abstinent alcoholics“, Mol. Nutr. Food Res., Bd. 57, Nr. 6, S. 1110–1114, Juni 2013, doi: 10.1002/mnfr.201200676.
[18] B. A. Kalman und R. E. Grahn, „Measuring Salivary Cortisol in the Behavioral Neuroscience Laboratory“, J. Undergrad. Neurosci. Educ., Bd. 2, Nr. 2, S. A41–A49, Juni 2004.
[19] G. Halwachs-Baumann, Labormedizin. Vienna: Springer Vienna, 2011. doi: 10.1007/978-3-7091-0203-9.